
Ein ungewöhnlicher Winter am Nordpol
Der erste Nieser kam von der Geschenkverpackungsstation.
Zuerst dachte sich niemand etwas dabei. Es war schliesslich Winter, und die Wichtel kannten kalte Nasen nur zu gut. Doch schon nach wenigen Stunden war das fröhliche Klingeln der Glöckchen dem Schniefen, Husten und Stöhnen gewichen, das nun durch die sonst so geschäftige Werkstatt des Weihnachtsmanns hallte.
Bis zum Mittag lagen bereits die Hälfte der Wichtel in zuckerstangen-gestreiften Decken eingemummelt, mit geröteten Wangen und tränenden Augen. Sogar Sparkle, der ausdauerndste Wichtel aus der Logistikabteilung, war in drei Schals gewickelt und nippte an heissem Kakao mit extra vielen Marshmallows.
„Das ist gar nicht gut“, flüsterte Tinsel, die Leiterin der Postabteilung.
Sie blickte auf den riesigen Berg aus Kinderbriefen vor sich. Er wuchs unaufhaltsam – Wünsche nach Puppen, Puzzles, Skateboards und eine erstaunlich detaillierte Zeichnung einer selbstgebauten Schleuder aus Lakritz.
Normalerweise lasen die Wichtel jeden Brief von Hand, lächelten, kicherten, weinten vielleicht sogar ein bisschen und leiteten ihn dann an die passende Abteilung weiter. Aber jetzt? Jetzt kamen sie nicht einmal mehr hinterher, die Briefe aus dem magischen Postschacht aufzufangen.
Gerade als ein weiterer Nieser durch den Flur hallte, betrat der Weihnachtsmann den Raum.
„Oh je“, murmelte er mit tiefer, besorgter Stimme. „So kurz vor Weihnachten?“
„Wir schaffen das nie rechtzeitig“, sagte Tinsel und biss sich auf die Lippe. „Es ist einfach zu viel. Wenn wir nicht jeden Wunsch lesen können… dann wird vielleicht ein Kind vergessen.“
Das Gesicht des Weihnachtsmanns wurde ernst. Das war etwas, das er niemals zulassen würde. Jedes Kind zählte. Jeder Wunsch war wichtig.
„Wir brauchen Hilfe“, sagte er.
Doch nicht einmal der Nordpol ahnte in diesem Moment, wie diese Hilfe aussehen würde.
To be continued...